Ausdauersport, Hormone und Kohlenhydrate
Das endokrine (Hormon-)System sorgt für normale Körperfunktionen,
einschließlich der Erhaltung des Blutglukosespiegels auf einem für
Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit optimalen Niveau. Ein
Absinken des Blutglukosespiegels während intensiven Ausdauersports
kann ein Hauptauslöser für Ermüdungserscheinungen sein. Das
endokrine System versucht während des Trainings einen optimalen
Blutglukosespiegel beizubehalten, indem es andere Energiequellen
mobilisiert und die Produktion von Glukose aus Aminosäuren und
anderen Quellen ohne Kohlehydrate anregt. Leider können diese
Reaktionen die Erschöpfung der Kohlehydratspeicher des Körpers nur
hinauszögern, und Ermüdungserscheinungen können trotz stark
erhöhter Hormonmengen im Kreislauf auftreten. Es ist wahrscheinlich
das der dramatische Anstieg an Stresshormonen aufgrund intensiven
Trainings die Ermüdung beschleunigen könnte.
Die Einnahme Kohlehydrathaltiger Getränke in geeigneter
Zusammensetzung kann Ermüdungserscheinungen verzögern, indem
der Blutglukosespiegel auf hohem Niveau gehalten wird und
gegebenenfalls auch die Glykogenspeicher der Muskeln nicht
aufgebraucht werden. Interessanterweise wird durch die Einnahme
kohlehydrathaltiger Getränke auch der Anstieg an Stresshormonen
während des Trainings abgeschwächt – ob dies allerdings eine
Bedeutung für die Verzögerung von Ermüdungserscheinungen hat, ist
noch ungewiss. Das Ziel dieses Artikels besteht darin, einen kurzen
Überblick darüber zu geben, wie die glukoseregulierenden Hormone
(Epinephrin, Cortisol, Insulin, Glukagon und Wachstumshormone) auf
körperliche Aktivität reagieren und auf welche Weise die Zufuhr von
Kohlehydraten diese Reaktionen verändert. Weiterhin soll beurteilt
werden, ob ein Zusammenhang zwischen der veränderten
Hormonreaktion und der Verzögerung von Ermüdungserscheinungen
besteht.
Die Hormonantwort auf ausdauernde körperliche Aktivität
Zu Beginn des Trainings wird durch Nervenimpulse der motorischen
Zentren des Gehirns sowie durch Rückmeldungen der sensorischen
Nerven der Muskeln an die Hirnanhangdrüse (Hypothalamus) die
Ausschüttung vieler Hormone entweder angeregt oder verhindert. Die
anfänglichen, schnellen Veränderungen der Hormonausschüttung
geschehen in Erwartung von Anpassungen des Stoffwechsels und des
Herz-Kreislauf-Systems, die nötig sind, um die durch die Aktivität
gesteigerten Anforderungen zu erfüllen. Diese hormonellen
Veränderungen werden in dem Maße dramatischer, in dem die
Trainingsintensität steigt und sich Ermüdungserscheinungen
einstellen. Hormonelle Veränderungen können auch auftreten oder
sich verstärken, um psychologische oder emotionale Faktoren
während intensiver Aktivität zu unterstützen.
Eines der wichtigsten an der Kontrolle des neuroendokrinen Systems
beteiligten Signale ist das Absinken des Blutglukosespiegels. Dies wird
durch Trainingsstudien sehr deutlich, in deren Rahmen Sportler
während kohlehydratarmer Ernährung, während des Fastens und mit
Glukoseinfusionen untersucht wurden. Intensive, ausdauernde
körperliche Aktivität führt zu vorhersagbaren Steigerungen der
Blutglukose und entsprechenden Erhöhungen der Konzentrationen
von Epinephrin (EPI), Cortisol, Glukagon und von
Wachstumshormonen (GH) sowie zu einem Absinken des
Insulinspiegels. Diese Hormone spielen eine entscheidende Rolle bei
der Bewahrung einer stabilen Konzentration von Blutglukose und
werden daher oft auch als glukoseregulierende Hormone bezeichnet
(Tabelle 1).
Die Reaktionen der glukoseregulierenden Hormone auf intensive
Ausdaueraktivität sind bei längerer Dauer der Aktivität ausgeprägter,
d.h. in dem Maße, in dem die verfügbaren Kohlehydrate abnehmen
und Ermüdungserscheinungen auftreten. Die zu Beginn des Trainings
eher geringen Veränderungen haben vor allem zum Ziel, zusätzliche
Energiequellen zu mobilisieren, um die gesteigerten Anforderungen zu
erfüllen, den Fettstoffwechsel zu steigern und die
Blutglukosekonzentration zu erhalten. Die starken hormonellen
Veränderungen nach einer gewissen Trainingszeit, wenn bereits erste
Ermüdungserscheinungen auftreten, werden dadurch verursacht, dass
die Glykogenspeicher in der Leber und den Muskeln aufgebraucht sind
und der Blutglukosespiegel nicht mehr auf einem angemessenen
Niveau gehalten werden kann, sowie durch psychologische Faktoren
im Zusammenhang mit dem vergrößerten Kraftaufwand für die
Erbringung der gleichen Leistung und einem beeinträchtigten
Gemütszustand.
Tabelle 1: Die wichtigsten Wirkungen der glukoseregulierenden
Hormone und einige wichtige Resultate dieser Wirkungen..
Auswirkungen der Kohlehydrataufnahme auf die
hormonellen Reaktionen auf körperliche Aktivität
Die Aufnahme von Kohlehydraten unmittelbar vor und/oder während
des Ausdauersports führt zu beträchtlichen Veränderungen der
glukoseregulierenden Hormone. Dazu gehört eine Abschwächung des
typischen Anstiegs von EPI, Cortisol, Glukagon und GH sowie eine
geringfügigere Abnahme des Insulins. Der Insulinspiegel kann sich bei
Kohlehydratzufuhr während des Sports sogar erhöhen. Dies
unterstützt generell die Annahme, dass die Hauptfunktion dieser
Hormone bei ausdauernder körperlicher Aktivität darin besteht, die
Glukosekonzentration im Plasma zu erhalten.
Die Einnahme von 30-60 g Kohlehydraten pro Stunde reicht aus, um
einen Abfall des Blutglukosespiegels zu vermeiden und um die
Ermüdung während des Ausdauersports zu verzögern.
Hormonstudien, die ähnliche Verabreichungspläne verwenden,
kommen üblicherweise zu dem Ergebnis, dass die Verabreichungen
von Kohlehydraten die Reaktion der glukoseregulierenden Hormone
auf körperliche Aktivität abschwächen. Werden den Testpersonen
während eines fast 3stündigen Trainings bei 70% VO2max allerdings
nur 13 g Kohlehydrate pro Stunde verabreicht, gibt es keine
Auswirkungen auf verschiedene Stoffwechselvariablen, auf die
subjektiv empfundene Anstrengung, auf EPI, Cortisol, Glukagon, Insulin
und die Zeit bis zum Eintritt der Ermüdung.
Insulin
Bei Kohlehydratzufuhr während des Training bleiben die Insulin-
Plasmakonzentrationen normalerweise auf dem Niveau des
Ruhezustands oder steigen in einigen Fällen an.
Epinephrin (EPI)
Kohlehydratzufuhr führt in den meisten Studien zur Abschwächung
des EPI-Anstiegs. Eine interessante Studie berichtet, dass EPI-
Zunahmen während eines 122minütigen Radfahrtrainings bei 62%
VO2max im Anschluss an 2,5 h Radfahren abgeschwächt wurden, nicht
aber im Anschluss an ein Lauftraining bei 75% VO2max. Der Grund für
diese Trainingsart-spezifische Reaktion ist unklar.
Cortisol
Kohlehydratzufuhr bei Ausdauersport kann auch das Ansteigen der
Cortisolkonzentration während des Trainings und für einige Stunden
danach abschwächen und zeigten, dass die Cortisolkonzentration bei
Einnahme von Kohlehydratlösungen während der 2,5 Stunden im
Anschluss an Lauf- oder Radfahrtraining sogar sank, während sie bei
Einnahme des Placebos auf dem Niveau von vor dem Training verblieb
oder gering anstieg. Andere Studien zeigten ähnliche Ergebnisse
während eines 2stündigen Ausdauertrainings.
Glukagon und Wachstumshormone (GH)
Das Ansteigen der Blutkonzentrationen an Glukagon und GH während
des Trainings kann durch Kohlehydratzufuhr abgeschwächt werden.
Glukosegaben blockierten die Glukagonreaktion auf ein 4stündiges
Radfahrtraining bei 30% VO2max vollständig, hatten aber keine
Auswirkungen auf die Glukagonreaktion auf unterbrochene
Radfahrperioden bei 70% VO2max. Der Anstieg der
Plasmakonzentration an Wachstumshormonen wurde bei
Testpersonen, denen kohlehydrathaltige Getränke im Gegensatz zu
einem Wasser-Placebo verabreicht worden waren, in den 2,5 Stunden
nach einem Lauf- oder Radfahrtraining bei 75% VO2max
abgeschwächt.
Mögliche Rolle der glukoseregulierenden Hormone bei der
Verzögerung von Ermüdungserscheinungen im Zusammenhang mit
Kohlehydratgaben
Die verminderte Verfügbarkeit von Energie in Form von Kohlehydraten
(Glykogen und Glukose) und das Einsetzen der Dehydration sind die
wichtigsten limitierenden Faktoren beim Ausdauertraining, und es ist
allgemein bekannt, dass der Ausgleich von Kohlehydraten und
Flüssigkeit während des Trainings über die Einnahme
kohlehydrathaltiger Sportgetränke in passender Zusammensetzung
Ermüdungserscheinungen verzögert und die Leistungsfähigkeit
steigert. Trotzdem sind die genauen für die positiven Effekte
kohlehydrathaltiger Getränke verantwortlichen Mechanismen bisher
nicht gänzlich bekannt. Es wird vermutet, dass der wichtigste
Mechanismus für die verzögerte Ermüdung im Erhalt des
Blutglukosespiegels und der Kohlehydratoxidationsraten während der
letzten Phasen des Trainings oder Wettkampfs liegt, wenn das im
Muskel vorhandene Glykogen nur noch begrenzt verfügbar ist.
Kohlehydrataufnahme kann während eines unterbrochenen Lauf- und
Radfahrtrainings auch dazu führen, dass Muskelglykogen in mehreren
Fasertypen nicht aufgebraucht wird. Es ist jedoch auch möglich, dass
die Ermüdungsmechanismen im Hirn zu finden sind.
Kohlehydratgaben können die Gehirnfunktion verbessern und dafür
sorgen, dass man sich während des Trainings besser fühlt. Die meisten
Menschen unterbrechen das Training oder beginnen, schlechte
Leistungen zu erbringen, wenn die für das Fortsetzen des Trainings
nötige Anstrengung subjektiv als zu groß empfunden wird. Diese
starke Steigerung der empfundenen Anstrengung beim Ausdauersport
geht fast immer der Unfähigkeit des Muskels voraus, eine
ausreichende Kraft aufzubringen.
Die Vorteile von Kohlehydratgaben für die Verzögerung von
Ermüdungserscheinungen könnten daher auch eine verringerte
Wahrnehmung der Anstrengung, verbesserte Motivation, bessere
Stimmung und eine reduzierte Hemmung des zentralen motorischen
Antriebs in den oberen Hirnregionen beinhalten.
Es besteht die Hypothese, dass die Kohlehydrataufnahme während
des Ausdauersports dabei hilft, den Blutglukosespiegel auf hohem
Niveau zu halten, und dadurch die Blutkonzentrationen von EPI,
Glukagon, Cortisol und GH reduziert und den Insulinspiegel erhöht.
Diese Effekte der Kohlehydrataufnahme könnten den Verbrauch des in
Muskeln und Leber gespeicherten Glykogens verzögern, die Aufnahme
und Oxidation von Glukose in Muskeln und Gehirn steigern sowie die
Plasmakonzentrationen von freien Fettsäuren (FFA – Free Fatty Acids)
und Ammoniak senken, die zur allgemeinen Ermüdung beitragen.
Ein starker Abfall des Blutglukosespiegels (Hypoglykämie) beim Eintritt
der Ermüdung tritt nur selten auf. Die Verfügbarkeit von Glukose für
das Gehirn ist daher wahrscheinlich nicht von primärer Bedeutung für
das Verzögern der Ermüdung. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass
ein moderates Absinken der Glukosekonzentration im Plasma schon
vor Aktivierung der Reaktion der glukoseregulierenden Hormone und
vor dem Auftreten der traditionellen Symptome der Hypoglykämie zu
Beeinträchtigungen der kognitiven Funktion und der Stimmung führen
kann.
Der Erhalt von für das Hirn verfügbarer Blutglukose kann zu
niedrigeren Einschätzungen der subjektiv empfundenen Anstrengung
beitragen, als sie unter diesen Bedingungen häufig beobachtet
werden. Es hat sich gezeigt, dass niedrigere Raten der subjektiv
empfundenen Anstrengung bei Testpersonen, die kohlehydrathaltige
Getränke zu sich genommen hatten, im Zusammenhang mit höheren
Kohlehydratoxidationsraten, einer höheren Blutkonzentration an
Glukose und Insulin und einer niedrigeren Konzentration an Cortisol
und Wachstumshormonen standen. Niedrigere Raten der subjektiv
empfundenen Anstrengung wurden auch bei der Glukoseinfusion
während körperlicher Aktivität niedriger Intensität und bei der
Einnahme kohlehydrathaltiger Getränke während Ausdauer-
Fahrradtrainings bei 70% VO2max beobachtet.
Das moderate Absinken der Plasmakonzentration an freien Fettsäuren
nach Kohlehydratzufuhr (aufgrund der gestiegenen Konzentration an
Insulin und der gesunkenen Konzentrationen an EPI,
Wachstumshormonen und Cortisol) könnte auch dazu beitragen,
allgemeine Ermüdung zu verzögern.
Wie könnte dies funktionieren?
Sinkt die Konzentration an freien Fettsäuren im Blut, reduziert sich
auch die Konzentration an freiem Tryptophan. Dies bedeutet, dass
weniger Tryptophan aus dem Blut aufgenommen und im Gehirn in
Serotonin umgewandelt wird. Man glaubt, dass Serotonin die
allgemeine Ermüdung fördert.
Kohlehydratzufuhr während körperlicher Aktivität senkt auch die
Blutkonzentrationen an Glukagon und Cortisol und erhöht Insulin.
Diese Veränderungen könnten die Ammoniakkonzentration im Blut
und im Gehirn reduzieren; Ammoniak ist für das Gehirn toxisch und
könnte auch den Muskelstoffwechsel beeinträchtigen.
Zusammenfassung
In den späten Phasen ausdauernder körperlicher Aktivität lassen sich
häufig starke Erhöhungen der Konzentrationen an
glukoseregulierenden Hormonen feststellen, was darauf hinweist, dass
der Blutglukosespiegel nicht auf hohem Niveau gehalten werden kann.
Diese hormonellen Veränderungen können ein wichtiger Hinweis auf
eine bevorstehende Ermüdung sein. Der Anstieg an EPI, Cortisol,
Glukagon und Wachstumshormonen kann, gemeinsam mit dem
Absinken des Insulinspiegels, zur Entstehung von
Ermüdungserscheinungen beitragen.
Kohlehydratgaben während der körperlichen Aktivität können diese
Reaktionen der glukoseregulierenden Hormone abschwächen und
damit teilweise für ein verzögertes Einsetzen der Ermüdung
verantwortlich sein. Zum Ausgleich von Kohlehydraten und Flüssigkeit
sollten Sportler während des Ausdauertrainings alle 15-20 min etwa
240-350 ml eines kohlehydrathaltigen Sportgetränks zu sich nehmen.
Dies verhindert einen Abfall des Blutglukosespiegels und zögert das
Auftreten von Ermüdungserscheinungen wahrscheinlich hinaus. An
der Ermüdungsverzögerung unter diesen Umständen können sowohl
zentrale als auch periphere Mechanismen beteiligt sein.
Kernaussagen
Ausdauernde, intensive körperliche Aktivität erhöht die
Plasmakonzentrationen der Hormone Epinephrin, Cortisol, Glukagon
und der Wachstumshormone. Die Insulinkonzentration wird verringert.
Die Einnahme von Kohlehydraten während des Ausdauersports
mildert diese Hormonreaktionen und verzögert
Ermüdungserscheinungen.
Die abgeschwächte Hormonreaktion kann dazu beitragen, sowohl
zentrale (Gehirn) als auch periphere (Muskel) Ermüdung zu verzögern,
indem in der Leber und den Muskeln vorhandenes Glykogen nicht
verbraucht wird, der Glukosespiegel im Blut auf hohem Niveau bleibt
und die Blutkonzentrationen freier Fettsäuren, freien Tryptophans und
von Ammoniak reduziert werden.
Zur Vermeidung eines Abfalls der Glukosekonzentration im Blut und
um die Hormonreaktion auf das Training zu mildern, sollten Sportler
alle 15-20 min etwa 240-350 ml eines kohlehydrathaltigen
Sportgetränks zu sich nehmen.
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