Die Heilkraft der Bewegung (Sport hält fit)
Etwa die Hälfte der erwachsenen Deutschen ist zu dick, fünfzehn Prozent sind
fettsüchtig. Schon ein Drittel der Erstklässler bringt zuviel Gewicht auf die Waage
und bereits Elfjährige leiden unter Osteoporose. Bewegung tut also not. Hier eine
umfassende Übersicht über die heilsame Wirkung regelmäßigen Trainings auf
Körper, Geist und Seele.
Viele Menschen, die sich gesund ernähren, haben das Gefühl, sie tun schon viel für
ihre Gesundheit. Wirklich körperlich fit - auch im Alter - können wir aber nur sein,
wenn wir uns regelmäßig - Sportmediziner empfehlen ein Ausdauertraining von
mindestens zwanzig Minuten mindestens dreimal die Woche - bewegen. Das Schöne
dabei: Dafür ist es nie zu spät!
Körperliche Aktivität beeinflusst die physiologischen Alterungsprozesse. Man bleibt
durch Bewegung länger jung und hat eine gute körperliche Leistungsfähigkeit. Gut
trainierte 60jährige können nach nur zwei Monaten Ausdauertraining die
körperliche Leistungsfähigkeit von nicht trainierten 20- bis 25jährigen erreichen.
Untersuchungen zeigen, dass sogar 90jährige durch ein Krafttraining ihr
Leistungsvermögen beträchtlich steigern konnten.
Wenn wir die Bedeutung von Bewegung für unsere Gesundheit ermessen wollen,
sollten wir uns klarmachen, dass wir ursprünglich „Lauf- und Bewegungstiere" sind.
Auf der Suche nach Nahrung legten unsere Vorfahren jeden Tag beträchtliche
Strecken zu Fuß und auch laufend zurück. Ausdauer und körperliche Fitness waren
jahrtausendelang für den erfolgreichen Überlebenskampf des Menschen die
Voraussetzung.
Von den Hunzas im Himalaja - dem neben den Vilkambias in Ecuador wohl
langlebigsten und gesündesten Volk der Erde - ist dokumentiert, dass selbst
80jährige zum Viehhüten auf ihren zwischen 2.000 und 4.000 Meter hochgelegenen
Terrassenfeldern täglich Höhenunterschiede von tausend und mehr Metern
mühelos bewältigen.
Auch für uns ist körperliche Aktivität für ein langes und gesundes Leben eine
wichtige Voraussetzung. Zwar schießen hier Fitnesszeitschriften und Aktiv-
Urlaubsangebote aus dem Boden. Es gibt jedoch Untersuchungen, wonach nur
knapp ein Drittel der Bundesdeutschen sich regelmäßig sportlich betätigt und die
zahlreichen Fitnessangebote auch wirklich nutzt.
Endlich Schluss mit Gewichtsproblemen
Ab dem 30. Lebensjahr beginnt der Muskelabbau - sofern man nicht aktiv ist. Damit
Gelenke und Wirbelsäule auch weiterhin gut gestützt bleiben, empfiehlt sich unter
anderem gezieltes Krafttraining.
Welche Auswirkungen hat regelmäßiges Körpertraining auf unseren Körper, wie
können wir damit gesünder werden?
Sport hilft, den Muskelabbau zu stoppen, der ab dem 30. Lebensjahr beginnt.
Vielleicht ist ein Fünfzigjähriger stolz darauf, noch immer das Gewicht aus seiner
Jugendzeit zu haben. Der Anteil der Muskelmasse in seinem Körper hat sich aber
zugunsten der Fettmasse verschoben und sich bei mangelnder Beanspruchung etwa
um ein Drittel reduziert. Durch Muskelabbau können Schmerzen am Rücken und
den Gelenken entstehen, weil die Muskulatur Gelenke und Wirbelsäule nicht mehr
ausreichend stützt.
Am besten erhält man seine Muskulatur durch ein sinnvoll durchgeführtes
Krafttraining an Geräten. Man kann Mitglied in einem der etwa 5.000 deutschen
Fitnessstudios werden oder sich eine Multi-Bank für das Training zu Hause
anschaffen. Viele Trainer in Fitnessstudios haben eine sportwissenschaftliche
Ausbildung absolviert. Das Studio sollte nicht nur Kraftgeräte, sondern auch Geräte
für den Ausdauer- und Herz-Kreislauf-Bereich haben.
Besonders gesund sind Ausdauersportarten wie Joggen, Walking (schnelles Gehen),
Schwimmen, Radfahren und Skilanglauf. Durch ein Ausdauertraining mindestens
dreimal die Woche für mindestens 20 Minuten wird der Blutdruck harmonisiert. Zu
hoher Blutdruck normalisiert sich genauso wie zu niedriger. Wer Übergewicht hat,
wird mit regelmäßiger körperlicher Betätigung in kurzer Zeit sein Idealgewicht
erreichen und auch mühelos halten.
Nach einem Dauerlauf von nur zwanzig Minuten ist der gesamte Stoffwechsel für
zwölf bis vierundzwanzig Stunden beschleunigt. Außerdem verbrauchen die
Muskeln, die man beim Sport aufbaut, mehr Kalorien: Muskelmasse verbrennt etwa
doppelt so viel Energie wie anderes Körpergewebe. Gewichtsprobleme gehören für
Sportliche der Vergangenheit an.
Weitere körperliche Vorzüge eines regelmäßigen Ausdauertrainings: unsere
Verdauung funktioniert. Durch die Bewegung wird der Darminhalt massiert und
feste Bauchmuskeln halten das „Darmpaket" schön zusammen, so dass der Tonus
stimmt und die Darmpassage beschleunigt wird. Menschen, die sich viel bewegen,
leiden so gut wie nie unter Verstopfung. Verstopfung führt nicht nur zu Unwohlsein,
sondern kann zu Darmreizungen und Rückvergiftung durch den Darm führen, wenn
der Darminhalt zu lange im Darm bleibt.
Auch Dickdarmkrebs wird mit chronischer Verstopfung in Zusammenhang gebracht,
„Der Tod sitzt im Darm" sagte schon der Darmspezialist Franz Xaver Mayr.
Abführmittel sind keine gesunde Alternative. 60 Prozent der über 50jährigen Frauen
nehmen regelmäßig Abführmittel ein. Diese Zahl ist bedenklich, da auch pflanzliche
Abführmittel auf die Dauer zu Nebenwirkungen wie Mineralstoffverlusten und
Erschlaffung der Darmmuskulatur führen können.
Sport schützt sogar vor Gallensteinen. Männer unter 65 Jahren, die fünfmal pro
Woche eine halbe Stunde Sport treiben, haben ein um 34 Prozent niedrigeres
Gallensteinrisiko als Bewegungsmuffel. Dies fanden jüngst Wissenschaftler der
Harvard School of Public Health in einer Studie an rund 46.000 Männern zwischen
40 und 65 Jahren heraus. Erklärt wird dieser positive Effekt des Trainings mit einem
gesunden Cholesterin- und Blutzuckerspiegel, der die Bildung von Gallensteinen
beeinflusst. Wie Studienautor Michael Leitzmann in der Fachzeitschrift „Annals of
Internal Medicine" berichtet, scheinen Joggen, schnelles Gehen und Tennis
besonders geeignete Sportarten zu sein. Allein in den USA müssen jährlich rund
800.000 Menschen wegen Gallensteinen ins Krankenhaus. Darunter besonders viele
Männer, die übermäßig lange vorm Fernseher sitzen.
Studien, die überzeugen
Dauerlauf ist gut fürs Herz und beugt Herzinfarkt und Schlaganfall vor. Das Herz
wird wesentlich leistungsfähiger. Wer täglich flott spazieren geht, radfährt oder läuft,
schützt seine Gefäße und beugt damit Herzinfarkt, Schlaganfall und Arteriosklerose
vor. Durch Ausdauersport steigt die Menge des HDL, des „guten", Cholesterins, im
Blut an, während gleichzeitig der Triglycerinspiegel und damit der Anteil an
„schlechtem" Cholesterin zurückgeht.
Eine US-Studie über 12 Jahre mit über 700 Rentnern ergab, dass sportliche Rentner
aufgrund niedriger Blutdruck- und Blutfettwerte nur eine halb so hohe Sterberate
wie Stubenhocker haben. Schon tägliche Spaziergänge von mehr als 3 Kilometern
reichen für diesen Effekt aus. Allerdings können auch durchtrainierte Sportler an
Gefäßleiden erkranken, wenn sie viel Fleisch essen.
Wussten Sie, dass Sport sogar Alzheimer verhüten kann? Fitness lässt offenbar
Blutgefäße im Gehirn wachsen. Forscher der Universität Wisconsin in den USA
verglichen Gefäße im Gehirn von lauffaulen Ratten mit denen besonders aktiver
Tiere, die mindestens 10 Kilometer auf dem Laufrad zurücklegten. Das Ergebnis:
Schon nach drei Tagen Sport hatten sich die Blutgefäße enorm vermehrt. Die
Forscher gehen davon aus, dass bei Menschen ähnliche Vorgänge ablaufen.
Körperliche Bewegung kann auch ein Schutz vor Krebs sein. Das Erkrankungsrisiko
für Brustkrebs sinkt um ein Drittel. wenn Frauen während der fortpflanzungsfähigen
Jahre wöchentlich mindestens ein bis drei Stunden Sport treiben!
Ausdauertraining ist auch eine hervorragende Osteoporose-Prophylaxe, weil
dadurch Kalzium besser in die Knochen eingelagert wird und die Knochendichte
zunimmt. Zur Osteoporose-Prophylaxe empfiehlt es sich, neben körperlicher
Bewegung auch Pflanzenkost mit natürlichen östrogenähnlichen Substanzen zu
essen, die vor allem in Äpfeln, Ananas, Sesamkörnern, Brennesselsamen und
Gerstengrassaft (als Pulver zum Anrühren im Reformhaus oder im Versand)
vorhanden sind.
Sport stärkt auch unser Immunsystem. Beim Ausüben von Ausdauersportarten
werden vermehrt Endorphine und Enkephaline gebildet, die nicht nur als
„Glückshormone" und als Stimmungsaufheller wirken. Sie aktivieren auch die
Bildung von T-Lymphozyten, unsere Abwehr-Elite aus weißen Blutkörperchen und
die Bildung von Makrophagen, den Fresszellen. Beide Zellarten sind auch für die
Krebsabwehr wichtig. Sportliche Betätigung hebt außerdem den Spiegel der
Immunstoffe Interleukin und Interferon im Blut an.
Wer dauernd unter Erschöpfung und Müdigkeit leidet, sollte es mit Laufen, Radeln
oder zügigem Schwimmen versuchen. 66 chronisch müde Menschen wurden dazu
angehalten, sich täglich 30 Minuten lang so richtig „auszupowern". Das Ergebnis:
Nach drei Monaten fühlten sich mehr als die Hälfte der sportlich Aktiven bereits
„sehr viel besser". In der Vergleichsgruppe, die durch regelmäßige Dehn- und
Entspannungsübungen der Trägheit Beine machen sollte, konnten dies nur 27
Prozent von sich behaupten.
Glückshormone gibt’s beim Joggen gratis
Göttinger Forscher haben in einem zehnwöchigen Versuch mit Patienten die
Heilkraft des Laufens getestet. Das Ergebnis: Joggen hilft bei Angstzuständen und
Panik-Attacken, unter denen immer mehr Bundesdeutsche leiden. Bei Läufern, die
mehrmals die Woche fünf Kilometer durch Wald und Feld liefen, ließen
Angstsymptome deutlich nach.
Die Wirkung war mit der eines bekannten Medikamentes vergleichbar, allerdings
ohne jede Nebenwirkungen. Das Institut für Sport- und Präventivmedizin in
Saarbrücken kam sogar zu dem Ergebnis, dass Panikattacken durch Joggen noch
besser als durch Medikamente bekämpft und in Schach gehalten werden können.
Aber auch gegen Depressionen ist Ausdauersport ein bewährtes,
nebenwirkungsfreies Mittel.
Erklärt werden diese Hochgefühle, das „Runner´s High", mit der großen Menge von
Neurotransmittern - Botenstoffen des zentralen Nervensystems wie Serotonin - die
beim Laufen freigesetzt werden. Zusammen mit der vermehrten Produktion der
„Glückshormone" Endorphin und Enkephalin.
Sport reduziert Stress und lässt uns auch in belastenden Situationen heiter und
gelassen reagieren. Wir können Stressfaktoren nie aus unserem Leben eliminieren,
aber wir können lernen, besser damit umzugehen und eine andere Einstellung dazu
zu entwickeln. Bei sportlich Aktiven nimmt die Konzentration der Stresshormone
Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin zu. Außerdem hemmt Bewegungstraining den
Empfang der „Stress-Kuriere". Diese Rezeptoren auf der Zelloberfläche reagieren
dann weniger empfindlich auf Hormon-Moleküle. Wo wir früher vielleicht aus der
Haut gefahren wären, können wir jetzt sogar mit Humor reagieren und nicht nur
über andere, sondern sogar über uns selbst lächeln. Motorische Antriebslosigkeit
und depressive Stimmung hängen offenbar eng zusammen.
Bei 100 Watt Leistung auf einem Fahrradergometer, das sind nur 40 Prozent der
Maximalleistung, strömt 25 bis 40 Prozent mehr Blut ins Gehirn. Die besser
versorgten Bereiche erstrecken sich über die gesamte Großhirnrinde. Wir können
mit Sport also besser nachdenken, uns besser konzentrieren und uns leichter
erinnern.
"Fitness" als Karriere-Faktor
Körperliche Fitness gilt als Vorteil beim beruflichen Aufstieg. Untersuchungen haben
ergeben, dass sportliche Aktivität nicht nur das Immunsystem stärkt, sondern auch
die Hirntätigkeit stimuliert. Durch die bessere Durchblutung und
Nährstoffversorgung des Gehirns verbessern sich Erinnerungsvermögen, Kreativität
und Intelligenz sowie die allgemeine Belastbarkeit. Man wird insgesamt
leistungsfähiger, und die Fehlzeiten zum Beispiel aufgrund von Rückenschmerzen
werden reduziert.
Warum Sie Fitness im Beruf brauchen
· Sie fühlen sich energievoller, die Arbeit macht mehr Spaß.
· Sie werden seltener krank.
· Sie sind beliebter, weil Sie besser gelaunt sind, humorvoller und gelassener.
· Sie sehen jünger und damit besser aus.
· Sie sind belastbarer und können mit Stress besser umgehen.
· Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Ausstrahlung wachsen, und Ihre
Entscheidungsfähigkeit nimmt zu.
· Sie übernehmen lieber Verantwortung, treffen leichter Entscheidungen.
Eine sportfeindliche Einstellung, wie sie einst Winston Churchill mit seinem Credo
„Sport ist Mord" an den Tag legte, ist heute im Licht der wissenschaftlichen
Erkenntnisse und des aktuellen Zeitgeistes undenkbar. Wer rastet, rostet. Er leistet
vorzeitigen Alterungsprozessen durch Oxidation mittels Freier Radikaler Vorschub
und begibt sich damit selbst auf die Seite des „alten Eisens"!
Unverzichtbar: Sport für Kinder
Gerade für Kinder ist Sport so wichtig. Kinder entdecken sich und ihre Umwelt durch
Bewegung. Sensomotorische Fähigkeiten sind auch für die intellektuelle und soziale
Entwicklung, sowie für die Ausbildung der Persönlichkeit wichtig. Besonders
Großstadtkinder haben es heute schwer: Kleine Wohnungen, Straßenverkehr,
zugebaute Flächen und Verbotsschilder engen ihren Bewegungsspielraum
empfindlich ein. Kinder kommen zu wenig zum Spielen und Toben. Das Ergebnis:
Zwei von fünf Schulanfängern in Deutschland leiden an schlechter
Körperkoordination und muskulären Schwächen. Dazu kommen Haltungsschäden
und mangelndes Konzentrations- und Durchhaltevermögen.
Sorgen Sie daher als Eltern und Betreuer für entsprechende Bewegungsangebote.
Machen Sie als Eltern am Wochenende eine Radtour, eine Wanderung, oder gehen
Sie gemeinsam schwimmen. Werden Sie ein sportliches Vorbild für Ihre Kinder, da
Kinder Sie nachahmen!
Goldene Regel für mehr Fitness
Mindestens zweimal, besser dreimal in der Woche bis ins hohe Alter Ausdauersport
wie Joggen, Radfahren, Skilanglauf, Walking oder Schwimmen praktizieren. Wer oft
erst spätabends nach Hause kommt, kann sich ein gutes Heim-Fitness-Gerät oder
ein Zimmertrampolin kaufen und darauf trainieren.
Am empfehlenswertesten sind die Ganzkörpersportarten, weil sie gleichzeitig die
Fitnessbereiche Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit trainieren und zu Ganzkörper-
Fitness führen. Es gibt sechs: Schwimmen, Skilanglauf (auch gute Skilanglauf-
Trainingsgeräte sind im Handel), Rudern, Joggen, Walking und Ganzkörpergymnastik.
Sport macht und hält Fit
Bisher empfahlen Ärzte körperliche Aktivität meist, um Krankheiten vorzubeugen.
Doch zunehmend erkennen Alzheimerforscher, Herzmediziner und Onkologen:
Bewegung hilft Menschen auch dann, wenn sie schon erkrankt sind - häufig besser
als teure Tabletten und Hightech-Medizin. Bewegung kann mitunter auch eine
gestörte Gehirnchemie besser ins Gleichgewicht bringt als Medikamente und Sport
kann die Überlebensdauer von Tumorpatienten verlängern. Besonders
Krebspatienten werden bis heute vielfach zu körperlicher Untätigkeit angehalten -
aus dem ärztlichen Glauben heraus, sie verkrafteten dadurch die Strapazen der
Behandlung besser. Doch anscheinend ist eher das Gegenteil wahr, berichtet die
„Deutsche Zeitschrift für Onkologie" jetzt in ihrer aktuellen Ausgabe. In einem
Schwerpunkt beschreibt das Blatt, wie manche Ärzte dazu übergehen, selbst
schwerkranken Patienten Ergometer aufs Krankenzimmer zu stellen. Bewegung
verbessert demnach die Lebensqualität und stärkt die körpereigene Krebsabwehr.
Bisher empfahlen Ärzte körperliche Aktivität und Sport meist als Prophylaxe, um den
Ausbruch von Krankheiten und Leiden zu vermeiden. Doch seit kurzem kommt die
Bewegung in die ganze Medizin. Psychiater und Onkologen, ebenso Orthopäden,
Demenzforscher und Kardiologen erkennen: Den Körper in Gang zu setzen hilft
Menschen auch dann, wenn sie schon längst krank sind. In vielen Fällen ist dosiertes
Training eine Ergänzung bewährter Therapien. Häufig, so zeigen neue Studien, wirkt
Bewegung sogar besser als teure Tabletten und Hightech-Medizin. Sie kann
gesundmachende Zellen im Körper wachsen lassen und Krankheitsverläufe
umkehren. Wer sich dreimal in der Woche eine halbe Stunde lang körperlich
anstrengt, schützt sich genauso wirksam gegen Missmut und Trauerattacken wie
Menschen, die täglich Stimmungsaufheller schlucken.
Auch bei herzkranken Menschen sei Bewegung inzwischen als Therapeutikum
anzusehen, das man wie ein bewährtes Medikament dosieren kann. „Patienten mit
stabiler koronarer Herzkrankheit können ihre Lebenserwartung erhöhen, wenn sie
beginnen, Sport zu treiben."
Je mehr die Forscher erfahren und verstehen, desto entschiedener fordern sie die
Abkehr vom klassischen Rat, demzufolge der Kranke das Bett zu hüten habe. Viele
Ärzte empfehlen (immer noch) bei verschiedenen Krankheiten körperliche Schonung
oder raten von jeglicher körperlicher Aktivität ab. Doch gerade bei
Stoffwechselerkrankungen und Gelenkverschleiß sei Nichtstun „meist
kontrainduziert" und verschlechtere sogar die Lebensqualität.
Auch den Einfluss von Inaktivität auf gesunde Menschen haben Forscher neu
bewertet: Der unter Büroangestellten so verbreitete Minimalgebrauch der Muskeln
kann demnach fast so schädlich sein wie das Qualmen von Zigaretten. Die
Sterblichkeitsrate träger Menschen liegt bis zu einem Drittel höher als jene reger
Vergleichspersonen. Ein Senior, der jeden Tag eine Meile (1,6 Kilometer) weniger
spazieren geht als sein gleichaltriger Nachbar, wandert - bei sonst gleichen Risiken -
sieben Jahre früher ins Grab.
Früher vollbrachten die Menschen Tag für Tag athletische Höchstleistungen, wenn
sie Nahrung suchten, wilden Tieren nachstellten und Unterkünfte bauten.
Diejenigen, die aufgrund ihrer Gene dazu nicht fähig waren, starben aus. So
entstand in den Überlebenden im Laufe der Jahrtausende ein biologisches Rüstzeug,
das immer weiter vererbt wurde. Es bürgt für optimale Abläufe im Körper - aber
eben nur, solange ein Individuum sich jeden Tag bewegt. Auf eines ist das
Erfolgsmodell Homo sapiens gar nicht eingestellt: Bewegungsarmut. Heute jedoch
findet sich ein großer Teil der Weltbevölkerung in Industriegesellschaften wieder, für
die seine genetische Mitgift nie vorgesehen war: Milliarden Menschen verbringen die
meiste Zeit ihres Tages im Sitzen oder im Liegen.
Zwar haben sie dank verbesserter Hygiene und Geburtsmedizin sowie Antibiotika
eine deutlich längere Lebenserwartung als ihre Vorfahren. Aber der
Durchschnittsangestellte in einem Büro wäre sehr viel gesünder verbrächte er seine
Tage damit, nach Muscheln zu tauchen oder Früchte auf hohen Bäumen zu ernten.
Weil im bewegungsfaulen Körper die biochemischen Kreisläufe stocken, ballen sich
beispielsweise die Blutfette vermehrt zu Gallensteinen: Trägen Personen wird
häufiger als dem Rest der Bevölkerung die Gallenblase entfernt. Und weil im lahmen
Leib die Verdauung schleppend abläuft, vergrößert sich die Kontaktzeit mit
krebsauslösenden Stoffen aus der Nahrung: Inaktive Menschen haben ein um 50
Prozent erhöhtes Risiko, vom Dickdarmkrebs heimgesucht zu werden.
Bewegung ist keineswegs eine nützliche Zugabe, um die Gesundheit zu verbessern.
Vielmehr ist sie die Voraussetzung, die das normale Funktionieren des Menschen
erst ermöglicht. Was oft als Altemsvorgang verstanden wird ist teilweise in hohem
Maße das Resultat von Inaktivität. Milliarden geben die Deutschen aus für die
Produkte der Anti-Aging-Industrie; doch bisher haben alle Pillen, Hormone,
Frischzellspritzen, Vitaminkuren Verfahren kläglich versagt. Es gibt nur einen
Jungbrunnen - nur regelmäßige körperliche Aktivität kann den biologischen
Alterungsprozess aufzuhalten.
Tägliche körperliche Aktivität ist verbunden mit einem verringerten Risiko für Herz-
Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Gedächtnisschwund, Depression, Diabetes,
Fettleibigkeit, und sie verlängert das Leben. Auch das Risiko für Brust- und
Darmkrebs kann durch sie gesenkt werden. Gewiss, körperliche Bewegung kann
dem Einzelnen niemals garantieren, dass Erkrankungen ausbleiben. Viele würden
von regelmäßigem Training profitieren. Es muss nicht immer Joggen sein, schon
Nordic Walking und schnelles Spazierengehen haben einen nachweisbaren Effekt.
Nach jedem Jahreswechsel strömen reuige Bewegungsmuffel, ihren guten Vorsätzen
getreu, zu Tausenden in die Fitnessstudios. Und doch: Bei der Verwirklichung des
Traumes täuschen sich viele selbst. Zwar behaupten 60 Prozent der erwachsenen
Bundesbürger in Befragungen, sie seien sportlich aktiv. In Wahrheit jedoch erreichen
allenfalls 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung jene Minimalbeanspruchung, die der
Gesundheit hilft. Etwa 65 Prozent der 50- bis 59-jährigen Frauen und 60 Prozent der
Männer desselben Alters sind kaum mehr in der Lage, die Treppe drei Stockwerke
hochzugehen. Von den 30- bis 59-jährigen Frauen und Männern treiben mehr als die
Hälfte überhaupt keinen Sport. Mehr als 65 Prozent der über 40 Jahre alten Männer
sowie mehr als 70 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe gelten als inaktiv.
Aufgrund ihrer Steinzeitgene bekommt ihnen dieses Lotterleben schlecht. Sie
nehmen zwar etwa ein Drittel weniger Kalorien zu sich als ihre nimmersatten
Vorzeitahnen. Jedoch verbrennen sie, bezogen aufs Körpergewicht, nur noch 38
Prozent so viel Energie. Der Körper spült das Übermaß an Sahnekuchen,
Leberwurstbroten und Weizenbieren nicht einfach wieder hinaus. Vielmehr macht er
daraus - es könnte ja eine Hungersnot kommen - störende Fettpolster an Bauch und
Po.
Für unsere Vorfahren war es von Vorteil, dass nur aktive Muskeln dem Blutstrom
Glukose entziehen können. In Zeiten von Kartoffelchips und Autofahren gerät dieses
System zum Nachteil: Die inaktiven Muskeln sind unfähig, Glukose aus dem Blut zu
fischen, so dass diese sich dort immer stärker konzentriert. Um den hohen
Blutzuckerspiegel zu regulieren, bildet die Bauchspeicheldrüse in gewaltigen
Mengen das Hormon Insulin. Doch durch die überschießende Ausschüttung werden
die eigenen Körperzellen resistent gegen das Hormon. Der Zucker-Stoffwechsel
bricht zusammen, der Mensch erkrankt an Diabetes. Übersteigt die
Glukosekonzentration einen Schwellenwert, so drohen Kreislaufschwäche, schwere
Gefäßschäden, Erblindung und Zuckerkoma.
Ein ebenso simples wie erfolgreiches Mittel gegen die Zuckerkrankheit (Diabetes Typ
2) ist es, die Kranken körperlich zu mobilisieren. In der chinesischen Stadt Daqing
wurden Müßiggänger, deren Glukosehaushalt schon gestört war, dazu verdonnert,
sich regelmäßig körperlich zu regen. Dafür durften sie weiterhin essen und trinken,
wie es ihnen gefiel. Nach sechs Jahren war ihr Diabetesrisiko um 46 Prozent
gesunken. Vergleichspersonen, die faul blieben, aber ihre Ernährung umstellten,
erzielten nur eine Reduktion von 31 Prozent. Um den Krieg gegen chronische
Krankheiten zu gewinnen, halten Physiologen regelmäßige Bewegung inzwischen für
wirksamer als Diäten und das ewige Auf-die-Waage-Schielen. Wer seine archaischen
Gene mit Hungerkuren überlisten will, ist in aller Regel zum Scheitern verurteilt. Die
Gene sind eben so gepolt, dass man nach dem saftigsten Schinken und nach den
süßesten Früchten greift.
Eine wissenschaftliche Auswertung ergab: Seit 50 Jahren wechseln Diätmoden
einander ab, ohne dass auch nur eine Wunderkur gefunden wäre. Wer eine Diät 15
Wochen durchhält, kann zwar an die elf Kilogramm verlieren. Allerdings ist der Effekt
spätestens nach drei bis fünf Jahren verpufft und das alte Gewicht wieder erreicht.
Umgekehrt nutzt Bewegung der Gesundheit - und zwar sogar dann, wenn man gar
nicht abnimmt. Sie schützt gerade fettleibige Männer besonders wirksam vorm
Infarkt. Aber auch aktive dicke Frauen haben im Vergleich zu inaktiven dünnen ein
leicht erniedrigtes Risiko für Herzleiden.
Selbst hochbetagte Menschen können einen Großteil ihrer Kraft erhalten, wenn sie
denn nur ihre Muskeln regelmäßig belasten. Die Forscherin Maria Fiatarone ließ
zehn Frauen und Männer, die zwischen 87 und 96 Jahre alt waren und in einem
Krankenhaus lebten, acht Wochen lang mit Gewichten trainieren: Die Muskelmasse
an den Oberschenkeln wuchs um zehn Prozent - was die Greise fast dreimal so
kräftig machte. Zudem wurden sie trittsicherer und konnten schneller gehen als
zuvor. Der Teilnehmer Sam Semansky, damals 93, ließ fortan seine Gehhilfe stehen.
Kraft- und Koordinationstraining tut auch den Knochen gut und schützt gerade im
Alter besser vor Brüchen als Medikamente.
Kreuzschmerzen sind ein weiteres Leiden, bei dem Bewegung als Schlüssel zur
Selbstheilung entdeckt wird. So fanden englische Orthopäden in diesem Frühjahr
heraus, dass ein Trainingsprogramm bei Rückenkranken genauso wirksam, darüber
hinaus aber billiger und sicherer ist als die Versteifungsoperation, bei der die Wirbel
mit Schrauben und Stäben miteinander verschränkt werden. Der mit
Komplikationen einhergehende Eingriff wird zwar seit nunmehr 90 Jahren munter an
Patienten durchgeführt. Bis zur Studie der Engländer sah sich jedoch kein Doktor
bemüßigt, dessen Nutzen einmal auf den Prüf stand zu holen. Auch rheumatische
Kniegelenke sind bis heute eine Domäne der Medizinindustrie: Entweder es werden
Arthritismedikamente verschrieben, oder es werden künstliche Kniegelenke
eingesetzt. Die Forscherin Miriam Nelson von der Tufts University in Boston jedoch
glaubt herausgefunden zu haben, dass es auch ganz anders geht: Geplagte
Patienten können sich selbst womöglich am besten helfen - indem sie die Muskeln
ihrer schmerzenden Beine gezielt kräftigen. Mit ihren Kollegen hat Nelson ein 16-
Wochen-Training entwickelt, das man mit einem Stuhl und Gewichten an den
Knöcheln zu Hause durchführen kann. Nach wissenschaftlichen Kriterien wurde das
Programm mit Nichtstun verglichen. Die Sportler berichteten über deutlich weniger
Schmerzen und konnten 17 verschiedene körperliche Aufgaben weit besser
bewältigen als die inaktiven Kontrollpersonen. Miriam Nelson sagt: „Auf einmal
konnten Leute, die Alltagsaktivitäten aufgrund ihrer Arthritis als immer schwieriger
und schmerzhafter empfanden, wieder am Leben teilnehmen, wie es ihnen
jahrelang nicht mehr möglich war."
In der Summe kann Bewegung in einer immer älter werdenden Gesellschaft wie
Deutschland den Ausbruch von Krankheiten nach hinten verschieben und die Zahl
der gesunden Tage mehren. James Fries von der Stanford University School of
Medicine in Kalifornien hat beispielsweise 370 Mitglieder eines Laufvereins und 249
träge Menschen untersucht. Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmer im
Durchschnitt 59 Jahre alt. Nach 13 Jahren erkundigte sich Fries, wie es den Leuten in
der Zwischenzeit denn so ergangen sei. Das Ergebnis: Gesundheitliche
Beeinträchtigungen waren bei den Läufern statistisch gesehen 12,8 Jahre später
aufgetreten als bei den Faulpelzen.
So eindeutig die Datenlage, so schwierig ist es für Ärzte, die
Menschen zum Mitmachen zu motivieren.
Es gilt also: Durch Sport kann man auch die beginnende Verkalkung seiner Gefäße
umkehren. Die Effekte lassen sich bei einzelnen Patienten nachweisen. Körperliche
Aktivität normalisiert nicht nur die biochemischen Kreisläufe, sondern lässt in
Organen und Geweben neue Zellen heranwachsen. Mittlerweile gibt es Hinweise
darauf, dass körperliches Tun neue Zellen sprießen lässt - im Gehirn. Dabei galt bis
vor kurzem noch der umgekehrte Fall als normal: Jeden Tag gehen Tausende
Nervenzellen zugrunde. Auf diese Weise wird das Denkorgan mit den Jahren immer
kleiner. Zwischen dem 30. und dem 90, Geburtstag gehen 15 bis 25 Prozent der
grauen Zellen verloren, wobei ausgerechnet die fürs Lernen und Erinnern
zuständigen Areale am stärksten schrumpfen. Bei jenen Probanden, die bei Tests
auf dem Laufband am besten abschnitten, waren die Verluste im Denkorgan
deutlich vermindert. Zwar starben auch bei ihnen Zellen ab, jedoch ging das
offenbar mit einer erhöhten Neubildung von Neuronen einher.
Tatsächlich mehren sich in jüngster Zeit die Hinweise, dass ein Mindestmaß an
Betätigung in der Freizeit vor Demenz und dem Altersschwachsinn Alzheimer
schützt, der allem in Deutschland 700.000 Bürger befallen hat. Im Oktober etwa
veröffentlichten schwedische Forscher die Daten von Menschen, deren
Gewohnheiten in puncto Bewegung seit 20 Jahren penibel aufgezeichnet worden
waren. Das Ergebnis: Diejenigen, die im Mittelabschnitt des Lebens wenigstens
zweimal in der Woche körperlich aktiv waren, haben ein um 60 Prozent verringertes
Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Sogar wenn sich im Kopf bereits Schusseligkeit
und Verwirrung bemerkbar machen, kann Bewegung offenbar wie eine gute Medizin
wirken.
Eine Erhebung an 1.750 älteren Leuten ergab: Moderates Wandern, Schwimmen,
Aerobic oder etwa Krafttraining halfen jenen Senioren am meisten, die zu Beginn
der Studie bereits leicht verwirrt waren -es ist demnach also nie zu spät, den Leib in
Schwung zu bringen. „Selbst wenn man 75 Jahre alt ist und nie zuvor körperlich aktiv
war, kann man immer noch profitieren, wenn man jetzt damit anfängt."
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